RoteLinien

Hallo,

ich habe heute erfahren, dass sich eine 13-jährige Schülerin | editiert |. Ihre Situation zu Hause ist sehr schwierig und ich glaube, dass sie keine Unterstützung bekommt.

Was kann ich als Lehrperson machen? Wie ist das mit der Schweigepflicht? Wie kann ich ihr am besten helfen?

LG
gast-lehrerin

Hallo,

erstmal eine Frage.....hat das Mädchen es Dir selbst erzählt oder hast Du es von anderen erfahren?
Ich denke, das macht einen Unterschied im Umgang mit der Situation.
Ich finde es übrigens ganz klasse, dass Du auf die Information reagierst und Dir Gedanken über Hilfe für das Mädchen machst !

lieben Gruß

zuversicht

Hallo Zuversicht,

du hast recht, es macht sehr wohl einen Unterschied ... nein, das Mädchen hat es mir nicht selber erzählt. Es ist auch nicht meine Schülerin, aber ich kenne sie, da wir eine kleine Schule sind. Ich bin im Kriseninterventionsteam der Schule und deshalb hat es mir meine Kollegin anvertraut. Ihr haben es Schülerinnen erzählt, d.h. das Mädchen hat sich ihr auch nicht anvertraut. Meine Kollegin ist übrigens Lehrerin der Schülerin.

Da sich das Mädchen niemandem von uns anvertraut hat, ist es natürlich schwieriger das ganze anzusprechen. Aber wir möchten auf jeden Fall etwas tun und helfen, wenn dies möglich ist!!

LG
gast-lehrerin

Das ist ja eine wichtige Information. Ich denke, dass gleich noch andere hier reinschauen werden, die Dir vielleicht besser raten können als ich. Mit solch einer Situation habe ich noch keine Erfahrung.
Aber eigentlich taucht hier immer jemand auf, der mehr Erfahrung als man selbst und einen guten in Tip in manchen Dingen hat.
Falls nicht, kann ich ja mal jemanden von den Moderatoren für Dich anschreiben....

ich sag mal bis später

zuversicht

Hallo Gast,
als meine Tochter das in der Schule gemacht hat und dabei von anderen Schülern bemerkt wurde,haben die das auch der Lehrerin gesagt.Daraufhin wurde ich in die Schule eingeladen und hatte ein Gespräch mit meiner Tochter und der Schuldirektorin.Meine Tochter hatte vorher einen Zettel geschrieben,auf dem sie mir alles geschrieben hat,was sie mir nicht sagen konnte.Ich wußte ja vorher noch gar nichts von ihrem seelischen Zustand und konnte ihr also auch nicht helfen.Sie war damals 12 Jahre alt.
Vielleicht geht es ja dem Mädchen bei dir genauso. Angst und Scham ,gerade den Eltern gegenüber ,sind sehr groß in so einer Situation.
Auch ein Schulsozialarbeiter,sofern an derSchule einer ist,könnte Kontakt aufnehmen zu dem Mädchen.
Liebe Grüße von Elfe

Hallo gast-Lehrerin,
schwierige Situation. Wie das mit der Schweigepflicht aussieht, weiß ich überhaupt nicht, ich kann dir nur schreiben, was für mich als Betroffene in der Situation deiner Schülerin hilfreich wäre und was nicht.

Eltern informieren wäre der Horror schlechthin. Wenn überhaupt, dann nur nach ausführlichen Gesprächen mit der Schülerin und ihrer Zustimmung.
Ein direktes Drauf-ansprechen würde für mich auch nicht wirklich helfen. Da würde ich mich wahrscheinlich eher total verschließen und alles abblocken.
Ich habe in meiner Schulzeit eine Lehrerin gehabt, die mich irgendwann ganz vorsichtig gefragt hat, ob bei mir alles in Ordnung wäre. Erstmal hab ich nichts gesagt. Aber sie ist drangeblieben. Ganz behutsam und unaufdringlich, nicht ständig, aber ich habe immer mal wieder gemerkt, dass sie nach mir schaut. Und nach etwa 2 Monaten (ich weiß, das ist eine lange Zeit und ich bin ihr nach wie vor sehr dankbar dafür, dass sie nicht irgendwann einfach aufgehört hat!) habe ich mich an sie gewandt und habe sie gefragt, ob sie Zeit für ein Gespräch hätte. Und dann hat sie mich über 2 Jahre lang begleitet. Mal intensiver, mal weniger intensiv - je nachdem, was so war und auch, wie viel Zeit sie hatte. Ich habe in der Zeit mit meinen Eltern gesprochen, eine Therapie begonnen, mein Abi gemacht und bin ausgezogen.

Ich weiß, so eine intensive Begleitung ist nicht mal eben so zu leisten.
Es kann auch schon ein guter und hilfreicher Schritt sein, ihr zu zeigen, dass sie wahrgenommen wird - dass ihr seht, dass es ihr nicht gut geht. Wenn ihr ein Kriseninterventionsteam habt, dann habt ihr wahrscheinlich auch Vertrauenslehrer und/oder Sozialarbeiter an eurer Schule, oder?
Ihr anzubieten, den Kontakt mit so jemandem herzustellen und sie vielleicht auch zum ersten Gespräch zu begleiten, kann gut sein.

Soweit erstmal... - ich hoffe, da ist was für dich dabei?!
Y

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Liebe gast-lehrerin,

erst mal finde ich es ganz großartig, dass du so viel Aufmerksamkeit und Empathie hast. Bitte, bitte erhalte dir das, denn Lehrerinnen wie du werden so dringend gebraucht!

Ich bin gedanklich sehr bei ypsilon. Sicher ist es nicht leicht, so geduldig im Hintergrund zu warten, wenn man helfen und etwas tun möchte. Vielleicht kannst du auch in der Schule mal drauf gucken, wie von Seiten der Mitschüler oder deiner Kollegen mit dem Mädchen umgegangen wird. Das könnte vielleicht auch schon helfen. Oder dich als Ansprechpartnerin anbieten - wenn du das möchtest. Ich glaube, dass die meisten Menschen (auch sehr junge) ein feines Gespür haben für Wohlgesonnenheit und Mitfühlen. Vielleicht ist dir das jetzt zu wenig - aber es ist ganz viel.

Danke für deinen Beitrag, der mir so viel Hoffnung macht.

Africa

Liebe Gast-Lehrerin,

ich finde es auch total schön, wie du an die Sache herangehst - dass du dir auch erst einmal hier Tipps erhoffst, bevor du handelst.
Ich mag dir von meiner Tochter erzählen: dort hatten es auch Mitschülerinnen herausgefunden, und die Klassensprecherin wollte es sofort der Klassenlehrerin erzählen, was für meine Tochter der absolute Horror gewesen wäre. Andere Mädchen haben ihr dann geholfen, selbst zur Klassenlehrerin zu gehen und ihr davon zu erzählen. Die Klassenlehrerin hat es dann im Beisein meiner Tochter mir erzählt. Es war trotzdem alles sehr schwierig, aber es hat etwas in Gang gebracht, was auf Dauer hilfreich sein konnte.
Aus Sicht als Mutter denke ich, es ist schon in Ordnung, wenn die Eltern davon erfahren - aber es ist eine Gratwanderung, wann und durch wen. Am besten wäre es vielleicht, wenn die Mädchen, die sich der Klassenlehrerin anvertraut haben, gestärkt werden könnten, um das Mädchen, das sich verletzt, zu überzeugen, dass es gut ist, sich Hilfe zu suchen. Letztendlich kann dem Mädchen nur geholfen werden, wenn es das will. Ich finde, Ypsilon hat das sehr gut beschrieben, ich habe da meine Tochter sehr drin wiedergefunden. Hinter ihrem Rücken oder über ihren Kopf hinweg entscheiden ist nur in einer echten akuten Notsituation angesagt, und nach der hört sich das momentan nicht an.

Viel Geduld, Ideenreichtum und Fingerspitzengefühl wünsche ich dir,

Nachteule

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Ours is not the task of fixing the entire world at once, but stretching out to mend the part of the world that is within our reach.
(Clarissa Pinkola Estés)

Hallo,

das einzig richtige Vorgehen kann man leider nicht formulieren. Letztlich spielen ganz viele Faktoren zusammen: die Persönlichkeit und Alter der Betroffenen, ihre Tagesform, prägende Erfahrungen, ihr Status in der Familie und im Freundeskreis, in eurem Fall das Verhältnis zu den Mitschülern und Lehrern.

Es ist und bleibt eine Gratwanderung, wie man sich als Helfer "richtig" verhält. Nur muss man sich im Klaren darüber sein, dass ein Zwangs-Outing z.B. bei den Eltern, immer Stress verursacht. SVV wird bei den Betroffenen oft als ein Ausdruck von Schwäche und Unzulänglichkeit erlebt und verursacht Scham und Schuldgefühle. Die Offenlegung kann nie mehr zurück genommen und der alte Zustand wieder hergestellt werden. Das hört sich trivial an, ist aber wichtig sich klar zu machen, weil ein Outing schief gehen und die Folgen weit reichend sein können. Nicht alle Eltern haben ein Gespür dafür, was gut tut und verfallen aus Hilflosigkeit möglicherweise in Aktionismus, der sich in erdrückender Fürsorge oder Kontrollen niederschlagen kann.

Was im Fall eurer Schülerin zu tun angebracht ist, könnt nur ihr entscheiden. Sie sollte wissen, dass ihr von ihrem SVV Kenntnis habt und sie ernst nehmt. Wenn ihr ihr vermitteln könnt, dass sie mit euch über ihre Probleme reden kann, ist viel gewonnen. Diese Vertrauensbasis solltet ihr als erstes versuchen anzustreben.

Gruß Line

Hallo alle zusammen,

ich war jetzt übers Wochenende nicht mehr online und als ich gerade eben im Forum vorbeigeschaut habe, war ich sehr, sehr positiv überrascht, so viele Antworten, Impulse und gute Tipps erhalten zu haben!!!

Es ist wirklich sehr, sehr viel dabei, was ich nun mitnehmen kann und ich habe auch gute Impulse erhalten, wie ich bzw. wir das das Ganze angehen können. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Mädchen abblockt, wenn man es mit den Tatsachen konfrontiert, dass Vertrauen und Sensibilität eine große Rolle spielen.
Wegen der Schweigepflicht wollte ich mich informieren, weil ich es zum jetzigen Zeitpunkt nicht gut finde, die Eltern zu informieren. Wie gesagt, die Situation daheim ist sehr, sehr schwierig ... Scheidung, ein neuer Vater, Alkohol ... Auf jeden Fall muss das Mädchen einverstanden sein.

Ganz toll finde ich auch eure Aussagen, dass sich das Mädchen angenommen fühlen soll und das Gefühl haben soll, dass jemand für es da ist - das ist meiner Meinung nach das Wesentlich und die Basis für alles Weitere.

Sozialarbeiter gibt es bei uns an der Schule leider nicht. Unser Team kommt in schwierigen Situationen zum Einsatz, wenn es Mobbing gibt, Schüler Hilfe brauchen oder auch wenn ein naher Angehöriger stirbt. Wie gesagt, wir haben mit dem | editiert | keinerlei Erfahrung und deshalb bin ich euch allen echt dankbar. Ich finde es toll, dass sich sowohl Betroffene als auch Angehörige gemeldet haben.

Vielen Dank und ich freue mich über weitere Impulse,
Gast-Lehrerin