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BeitragVerfasst: Di 10. Dez 2019, 12:07 
Hallo in die Runde,

ich bin Sozialpädagogin und arbeite in einer Wohngruppe für Kinder und Jugendliche. Mit Selbstverletzendem Verhalten habe ich mich deshalb, leider, schon öfter beschäftigt und einiges dazu gelesen. Ein paar Fragen bleiben mir aber trotz allem, weil ich mich als nicht Betroffene wohl doch nicht genug in die Thematik hineinversetzen kann...

Eine davon habe ich mir gerade heute wieder gestellt: Wie wichtig findet ihr es, die Werkzeuge, die zur Selbstverletzung verwendet wurden aus der Umgebung des Kindes zu entfernen?

Bei der letzten Jugendlichen, die sich selbst verletzt hat haben wir alle scharfen Gegenstände, die wir gesehen haben der die sie uns gegeben hat immer sofort entzogen. Ein Grund dafür ist auch einfach, dass wir uns so nicht "mitschuldig" machen, falls mal irgendetwas passiert, so traurig das auch klingt.
Seit einiger Zeit verletzt sich ein 11 jähriges Mädchen, das bei uns lebt, nun auch selbst. Ihre Verletzungen sind dabei eher oberflächlich und sie macht das auch noch nicht all zu lange und nicht sehr regelmäßig, es kommt aber eben doch immer mal wieder vor. Sie ist auch schon seit einer Weile in Therapie. Eine Zeit lang haben wir sie jetzt sehr offen und zugewand erlebt, sie erzählte uns davon, wenn sie etwas beschäftigte und verletzte sich in dieser Zeit auch kaum noch. Seit ein bis zwei Wochen verschließt sie sich wieder mehr, gestern fand ich einen Zugang zu ihr und wir führten ein Gespräch, in dem sie mir auch erzählte, dass sie sich wieder verletzt hat und mir auch alles offen und ehrlich erzählte, was dazu geführt hat, mir ihre Verletzungen zeigte und mir den | editiert | gab, den sie dafür verwendet hat. Sie sagte auch, dass sie noch zwei weitere in ihrem Zimmer irgendwo hat und war auch bereit diese zu suchen und uns noch zu geben. Als meine Kollegin sie heute darauf ansprach verschloss sie sich komplett, zog sich zurück und war für den Rest des Tages schlecht drauf. Sie sagte auch, dass sie sich nicht jeder Mitarbeiterin gegenüber wieder erklären möchte und wenn wir sie damit nicht in Ruhe lassen würde sie uns irgendwann gar nichts mehr erzählen.

Von meinem Gefühl her würde ich sagen, dann sucht sie die beiden | editiert | eben nicht. Wer sich wirklich verletzen will findet auch ein Werkzeug dazu, und wir können ihr ja schlecht alles wegnehmen. Ich würde es als wichtiger erachten emotional an ihr dran zu bleiben und den Fokus nicht zu sehr auf die Verletzungen zu legen sondern eher auf die Dinge, die sie beschäftigen und wie es ihr geht. Ihr Selbstverletzendes Verhalten sollte meiner Meinung nach eigentlich nicht Ausgangspunkt jedes Gespräches mit ihr sein, einen viel besseren Zugang findet man, wenn man sie einfach so fragt, wie es ihr geht und was sie beschäftigt.

Aber ist es zu riskant, diese Werkzeuge in ihrem Zimmer zu lassen? Wenn sie die irgendwann mal zufällig findet verbindet sie sie ja sicher direkt mit der Selbstverletzung, kann auch das dann wieder ein Auslöser sein? Wie schätzt ihr das Risiko ein? Gehe ich zu naiv an die Sache ran, wenn ich denke, dass eine Beziehung zu uns aufzubauen gerade wichtiger ist, als das Selbstverletzende Verhalten zu unterbinden? Ich bin mir da gerade unsicher.

Vielleicht könnt ihr mir auch sonst noch einen Rat oder ein paar Gedanken dazu mitgeben, wie wir als Team mit dieser Situation besser umgehen und das Mädchen mehr unterstützen können...

Liebe Grüße


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Di 10. Dez 2019, 12:07 


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BeitragVerfasst: Di 10. Dez 2019, 14:21 
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Administrator

Registriert: Do 8. Sep 2011, 17:13
Beiträge: 4826
Status: Betroffene/r
Hallo Elisabeth, ich mag dir aus Sicht einer Betroffenen antworten.
Es ist bei mir schon ein paar Mal vorgekommen, dass ich "mein" Werkzeug nicht zur Hand hatte und mich das nicht daran gehindert hat, mich selbst zu verletzen. Wenn der Druck so hoch ist, dass eine Verletzung scheinbar unausweichlich ist, greife ich auch zu anderen - mir nicht so gut "bekannten" - Gegenständen. Und dann ist die Gefahr höher, dass ich nicht kontrollieren kann, wie sehr ich mich verletze. Wer sich verletzen will, findet immer etwas, womit er/sie das tun kann.

Der Gedanke, dass das Werkzeug an sich Auslöser für eine Verletzung sein könnte... - ja, sicherlich erinnert das Werkzeug daran. Aber zum einen könnt ihr sowieso nie sicherstellen, dass eine Betroffene nicht doch irgendwo ein solches Werkzeug sieht - in der Schule, in einem Laden... und zum anderen glaube ich, dass der Anblick alleine noch kein Auslöser ist. Da muss schon noch mehr sein. (Aber natürlich liegt diese "Lösung" eines Problems näher, wenn ich das entsprechende Werkzeug immer mit mir herumtrage oder weiß, wo es in meinem Zimmer liegt........ - schwierig.)

Ich finde die Beziehung wesentlich wichtiger als das Beseitigen der Werkzeuge. Durch ein Verbot verschwindet SvV sowieso nicht. Der Körper bietet so viele Stellen, die nicht ständig gesehen werden.... - und wenn ich keine Alternative zum SvV habe, dann werde ich immer wieder in Situationen kommen, in denen das der einzige Weg zu sein scheint.
Wenn ich weiß, an wen ich mich wenden kann, dann kann ich das vielleicht sogar tun, bevor ich zum SvV greifen muss. Oder ich kann zumindest mit diesem anderen Menschen zusammen in Nachhinein herausfinden, was mich in diese Situation gebracht hat und Handlungsalternativen für ein nächstes Mal entwickeln.

Soweit erstmal - schön, dass du hergefunden hast!!
Y

_________________
Und wir sind nicht mehr zag / unser Weg wird kein Weh sein,
wird eine lange Allee sein / aus dem vergangenen Tag.


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BeitragVerfasst: Di 10. Dez 2019, 22:36 
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Registriert: Di 25. Jul 2017, 17:31
Beiträge: 1123
Wohnort: zu Hause
Status: Angehörige/r
Hallo, schön, dass du hier her gefunden hast und dich informierst!
Ich habe selbst viele Jahre ähnlich wie du gearbeitet, aber nie "Betroffene" gehabt.
Ich finde es wirklich super, dass du mehr über alles wissen möchtest, es zeigt, wie sehr du deinen Job magst.

Vieles wurde schon geschrieben.
Sehr wichtig ist auf jeden Fall SV nicht zum Hauptthema zu machen, sondern das Kind ganz normal zu behandeln, nicht ständig nachfragen, aber, soweit es möglich ist, ihm etwas mehr Zeit für schöne Dinge zu schenken. Unterhalten, Spielen ... Mitnehmen um etwas zu erledigen
Aufmerksamkeit geben
Mit 11 ist es doch recht jung, vielleicht hilft das schon (etwas)


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BeitragVerfasst: Do 12. Dez 2019, 19:59 
Offline

Registriert: Mo 7. Mai 2018, 20:38
Beiträge: 247
Status: Angehörige/r
Hi du,

also ich gehe jetzt von meiner Tochter (selbst in einer Wohngruppe) aus.
Ihr wurde anfangs alles bei der regelmäßigen Zimmerkontrolle weggenommen (was gefunden wurde), was sie aber nicht hinderte Nachschub zu beschaffen, denn Taschengeld bekommt man ja regelmäßig und es wird nicht Buch geführt was für was ausgegeben wird.
Das Problem ist leider tatsächlich auch bei meiner Tochter, dass im Zweifelsfall etwas anderes benutzt wird. Außerdem bleibt der eigentliche Auslöser ja trotzdem bestehen...

Ich würde dir also genauso, wie den Sozis bei meiner Tochter raten, gemeinsam herauszufinden welche Alternativen innerhalb der Wohngruppe möglich sind. Hier kommt es ja sehr darauf an wie eng die Hausregeln sind...
Meine Tochter darf z.B. mit kurzer Nachricht per Zettel 15 Minuten joggen gehen (außerhalb des Freigangs), Eiswürfel aus dem Gefrierfach verwenden etc...

Haben die Eltern evtl. schon Alternativen mit dem Kind herausgefunden die helfen?
Weiß das Mädchen vielleicht sogar schon welche Situation triggern? Falls ja, könntet ihr hier evtl. etwas vermeiden bzw bei schwierigen Situationen bereits unterstützen/üben dass es für sie erträglicher ist/wird?

LG Howa


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BeitragVerfasst: Sa 28. Dez 2019, 14:45 
Danke für eure Antworten!

Die Suchaktion nach den Werkzeugen haben wir jetzt zunächst einmal abgeblasen, da ich auch den Rest des Teams davon überzeugen konnte, dass das Mädchen immer ein Werkzeug finden wird, wenn der Drang sich zu verletzen zu groß wird.

SIe kann leider noch nicht so richtig vorher einschätzen, dass sich dieser Druck in ihr aufbaut und einen anderen Ausweg suchen, das passiert dann wohl immer recht spontan. Ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen fällt ihr sehr schwer, darüber zu reden erst recht. Sowohl andere Auswege zu suchen als auch belastende Situationen zu vermeiden ist daher schwierig.
Das Mädchen hat keinen Kontakt zu seinen Eltern und auch sonst nicht wirklich Vertrauenspersonen außerhalb der Wohngruppe, was die Situation für sie natürlich noch schwieriger macht.

Ihr habt mich auf jeden Fall etwas beruhigt, danke dafür!
Ganz liebe Grüße


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BeitragVerfasst: Sa 18. Jan 2020, 22:41 
Hallo,

es ist besser, das Kind nicht auf das SVV anzusprechen, weil man sich nach einer Selbstverletzung oft sehr schämt und wenn man dann ständig damit von anderen konfrontiert wird, steigt der Druck und das ganze fängt von vorne an.

Besser ist es, ein gutes Verhältnis zu dem Kind aufzubauen und vielleicht ihm altersgerechte Aufgaben zu übertragen (an denen es Spaß hat), weil Kinder die sich selbstverletzen oft unter Minderwertikeitsgefühlen leiden und wenn sie Aufgaben erledigen und dann dafür gelobt werden sich besser fühlen, weil ihr Selbstwertgefühl dadurch größer wird.

Wenn sie sonst niemanden hat, könnte ich mir vorstellen, dass sie sich sehr einsam fühlt und es ihr gut täte, wenn sie zu einer Person vertrauen aufbauen könnte.

Gruß Gast 007


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